Was ist Ergonomie/Anthropometrie (allgemein)?

Dipl.-Ing. Josef Kerschhagl
BMWA, Arbeitsrecht und Arbeitsinspektion
Abteilung Technischer Arbeitnehmerschutz
post@iii2.bmwa.gv.at
Der Begriff Ergonomie ist abgeleitet von den beiden griechischen Wörtern „ergon“ für Arbeit und „nomos“ für Gesetz oder Regel. Frei übersetzt heißt Ergonomie: Wissenschaft von der „menschen- oder gesundheitsgerechten Arbeitsgestaltung“ oder Anpassung der Arbeitsbedingungen an den Menschen und umgekehrt. Anthropometrie ist die Wissenschaft von den Maßverhältnissen am menschlichen Körper und deren exakte Bestimmung. Die Anthropometrie liefert die erforderlichen Grundlagen zur Anpassung der Arbeit an den Menschen.
Ergonomie
Unter Ergonomie wird das interdisziplinäre Wissenschaftsgebiet verstanden, das sich mit dem Zusammenwirken von Mensch, Arbeit und Technik beschäftigt. Unter Einbeziehung von Erkenntnissen anderer Wissenschaftsgebiete wie Humanbiologie, Medizin, Arbeitsphysiologie und -psychologie und Ingenieurwissenschaften, Pädagogik und andere strebt die Ergonomie die menschengerechte Gestaltung der Arbeit an. Hierbei steht die Wechselbeziehung zwischen Arbeitsumgebung und Mensch und eine aus der Arbeitsaufgabe resultierende, ausgewogene, optimale Belastung und Beanspruchung des arbeitenden Menschen im Vordergrund.
Der häufig im deutschen Sprachraum als Synonym verwendete Begriff „Arbeitswissenschaft“ ist nicht ganz korrekt, da er weitere Gebiete, wie Lohnfindung, Aus- und Weiterbildung usw. beinhaltet (Arbeitswissenschaft ist im deutschen Sprachraum also die übergeordnete Wissenschaft).
Überall dort, wo das Zusammenwirken von Menschen und technischen Arbeitssystemen stattfindet, sind Gestaltungsgebiete der Ergonomie. Für die Beurteilung eines Arbeitsplatzes im Hinblick auf die menschengerechte Arbeitsplatzgestaltung können folgende Grundkriterien und Fragen als erste Orientierung dienen:
Ausführbarkeit: Ist die Arbeit mit den dafür vorgesehenen Personen ausführbar? Eine Arbeit ist ausführbar, wenn ein Mensch unter Berücksichtigung seiner biologischen Gegebenheiten die Tätigkeit verrichten kann (z.B. Reichweite der Arme, Höhe der ausübbaren Kräfte).
Erträglichkeit: Ist die Arbeit auf Dauer für die dafür vorgesehenen Personen erträglich? Eine Arbeit gilt als erträglich, wenn sie ohne Gefahr einer Beeinträchtigung der Gesundheit regelmäßig, d.h. über die ganze Arbeitsschicht und über ein gesamtes Berufsleben ausgeübt werden kann.
Zumutbarkeit: Sind die Arbeit und die zu erwartenden Arbeitsbedingungen zumutbar?
Zufriedenheit: Werden die für die Arbeit vorgesehenen Personen mit der Arbeit und den Arbeitsbedingungen zufrieden sein?
Grundaufgaben einer ergonomischen Gestaltung sind:
- Anpassung der Arbeitsaufgabe und der Arbeitsbedingungen an den Menschen (Arbeitsgestaltung);
- Anpassung des Menschen an die Arbeitsaufgaben und die Arbeitsbedingungen (Ausbildung, Einarbeitung, Unterweisung, Information).
Durch die Anwendung gesicherter ergonomischer Erkenntnisse können sowohl die Bedürfnisse des Menschen bei der Gestaltung von Arbeitsbedingungen berücksichtigt als auch eine Entfaltung der menschlichen Fähigkeiten erreicht werden.
Die Berücksichtigung ergonomischer Erkenntnisse bei der Planung von Arbeitssystemen ist im Allgemeinen mit geringeren Kosten verbunden als bei nachträglicher Änderung. Ergonomische Arbeitsplatzgestaltung führt darüber hinaus häufig auch zu einer Erhöhung der Wirtschaftlichkeit.
Wechselwirkung zwischen Arbeitsumgebung und Mensch (Interaktions-Modell)
Bei der Gestaltung von Arbeitssystemen unter ergonomischen Gesichtspunkten kann in den meisten Fällen auf bereits vorhandene ergonomische Erkenntnisse und Lösungen zurückgegriffen und diese den jeweiligen neuen Fragestellungen angepasst werden. Die wesentlichen ergonomischen Gestaltungsbereiche lassen sich gliedern als Interaktion des Menschen mit:
Dem Arbeitsplatz unter Berücksichtigung von:
- Körperabmessungen und Geschlecht, Körperhaltung, Körperkräften;
- Wirkraum des Hand-Arm- und Bein-Fuß-Systems;
- Gesichts- und Blickfeld, Bewegungsfreiräume.
Den Arbeitsmitteln und Einrichtungen:
- Auswahl und Formgebung von Hand- bzw. Fußbedien- und Stellteilen (Abgrenzung zu Inverkehrbringervorschriften beachten);
- Auswahl und Ausführung von Anzeigen, Sichtgeräten und Signaleinrichtungen (Abgrenzung zu Inverkehrbringervorschriften beachten);
- Auswahl und Einsatz von Arbeitshilfen und Werkzeugen (Abgrenzung zu Inverkehrbringervorschriften beachten);
- Auswahl und Einsatz geeigneter Arbeitstische und -stühle (u.a. § 49 AAV).
Der Arbeitsumgebung:
- physikalische und sonstige Einwirkungen: Minderung der Entstehung und Ausbreitung dieser Einwirkungen (z.B. Abschnitt 4 AschG);
- klimatische Behaglichkeitsbedingungen: Abstimmung von Lufttemperatur, Luftfeuchtigkeit, Luftgeschwindigkeit und Wärmestrahlung unter Beachtung von Kleidung und Tätigkeit (z.B. 2. Abschnitt ASchG, AStV);
- Beleuchtung: Abstimmung von Licht- und Beleuchtungsstärke, Leuchtdichte, Reflexion und Farbgestaltung (z.B. Abschnitt 2 ASchG, AStV);
- Lüftung: Allgemeine Abstimmung der erforderlichen Luftqualität (z.B. Abschnitt 2 ASchG, AStV);
- Arbeitsstoffe: Minimierung von festen, flüssigen und gasförmigen Stoffen, die gesundheitsschädigende oder -beeinträchtigende Wirkung haben können (z.B. 4. Abschnitt ASchG, VbA)
Der Arbeitszeit (u.a. AZG, ARG):
- Festlegung der täglichen Arbeitszeit;
- Festlegung der Ruhe- und Erholungspausen (Pausenregime, z.B. BS-V);
- Auswahl des Schichtsystems;
- Einführung von flexiblen Arbeitszeitsystemen (Gleitzeit usw.)
Der Arbeitsstrukturierung:
- Erweiterung der Arbeitsinhalte (Eigenverantwortung);
- Arbeitsverteilung und Organisationsformen (Einzelarbeitsplatz, Gruppenarbeit).
Durch eine ergonomisch optimale Gestaltung von Arbeitssystemen, die z.B. vorzeitiger Ermüdung und Konzentrationseinbußen sowie körperlicher Überbeanspruchung entgegenwirkt, lässt sich im Allgemeinen auch eine Reduzierung der Unfallgefährdung und des Risikos von arbeitsbedingten Erkrankungen und Berufskrankheiten erreichen.
Wichtige ergonomische Begriffe
Belastung oder Beanspruchung
Belastung ist das was objektiv auf den Menschen einwirkt (Arbeitsumgebungsbedingungen, Betriebsklima, Arbeitsschwere, Arbeitsaufgabe etc.). Belastungen werden im allgemeinen objektiv so festgelegt (Grenzwerte, Grenzbereiche), dass sie für ein großes Kollektiv (gesunde Menschen) behaglich, erträglich oder zumutbar sind.
Belastende Einwirkungen aus der Arbeitsumgebung auf den Menschen bewirken individuell (subjektiv) verschiede Beanspruchungen. Im ArbeitnehmerInnenschutz ist die Beanspruchung in der Regel nur allgemein festgelegt (§ 6 ASchG „Einsatz der Arbeitnehmer“, § 5 BauV „Eignung der Arbeitnehmer“. Im Abschnitt 5 ASchG „Gesundheitsüberwachung“ und der VGÜ sind für bestimmte Einwirkungen jedoch individuelle Eignungs- und Folgeuntersuchungen geregelt.
Arbeit und Leistung (Arbeitsphysiologie, Arbeitspsychologie)
Leistung = Arbeitsergebnis/Zeit. Menschliche Leistungsvoraussetzungen sind:
Leistungsfähigkeit und Leistungsbereitschaft.
Arbeitsphysiologie
Funktion des menschlichen Körpers und seiner Organe bei der Arbeit.
Die körperliche Leistungsfähigkeit ist über die Beweglichkeit (Skelettal-Bänder-System), die Konstitution und Körperkräfte (Muskel-Bänder-Sehnen-Bindegewebs-Skelettal-System), die Ausdauer (Herz-Kreislauf-System), Bewegungskoordination, Reaktionsfähigkeit (Nervensystem), Wahrnehmung (Sinnesorgane) etc. definiert. Beurteilungskriterien körperlicher Belastung und Beanspruchung sind:
- Energieumsatz, Pulsfrequenz, individuelle maximale Sauerstoffaufnahme
- Körperkerntemperatur (Hitze), Elektromyogramm (Muskel), EKG-Registrierung etc.
Arbeitspsychologie
Geistige und emotionale Prozesse und Eigenschaften des Menschen bei der Arbeit.
Die psychische Leistungsfähigkeit ist schwer zu objektivieren. Psychische Belastungen/Beanspruchungen sind z.B.: Mobbing, Stress, Monotonie, sexuelle Belästigung.
Anthropometrie
Quantitative Methode zur Erfassung der metrischen (maßlichen) Verhältnisse des Menschen (Vermessungslehre am Menschen). Auf Grundlage dieser Vermessungen wird ein Zusammenhang zu ergonomisch, technisch und wirtschaftlich vertretbaren Konstruktionsmaßen hergeleitet (siehe Ergonomie - Teil 2).
Arbeitshygiene
Gestaltung der Arbeitsbedingungen zur Verhütung arbeitsbedingter Erkrankungen und Gesundheitsschäden (vorbeugender Gesundheitsschutz bei der Arbeit).
Software-Ergonomie
Gesundheitsgerechte Gestaltung der Software damit psychische Belastungen/Beanspruchungen durch unzureichende Aufgabengestaltung - sind die zur Verfügung gestellten Mittel zur Bewältigung der Aufgabe geeignet - oder Behinderung der Informationsaufnahme - Antwortzeitverhalten des Rechners, Ein- und Ausgabefunktionen, Dialoggestaltung - vermieden wird.
Ermüdung
Als Ermüdung wird allgemein die Herabsetzung der Leistungsfähigkeit von Organen oder des Organismus infolge von vorangegangener körperlicher oder geistiger Anstrengung bezeichnet. Formen der Ermüdung sind beispielsweise:
- biologische Ermüdung, Arbeitsermüdung, Antriebsermüdung etc.
Erschöpfung
Zustand völliger Kraftlosigkeit und Antriebsschwäche nach vorangegangener großer körperlicher oder geistiger Anstrengung.
Erholung, Erholungsdauer
Wiedererlangen der durch Ermüdung oder Erschöpfung geminderten Funktionsfähigkeit von Organen oder des Organismus. Verringerung, Beendigung, Veränderung der Anstrengung.
Pausen
Der Begriff „Pausen“ ist unter verschiedenen Aspekten zu sehen. Je nach Sachlage können „richtige Arbeitspausen“ erforderlich sein. In vielen Fällen genügt aber bereits ein Tätigkeitswechsel, z.B. andere Tätigkeit bei der die zuvor auftretende einseitige Körperbelastung nicht auftritt.
Gefährdungen (Körperhaltung, Ausgleichsbewegungen)
- Bewegungs- und Stützapparat (Muskelverspannungen, -verkrampfungen, insbesondere auch der Rückenmuskulatur);
- Mangeldurchblutung, Rückstau von venösem Blut (Muskelkrämpfe, Bildung von Krampfadern, Flüssigkeitsstau);
- Mangel an Ausgleichsbewegungen (Haltungsmonotonie - Muskelinaktivität, Deaktivierung des Herz-Kreislauf-Systems und des vegetativen Systems).
Warum Sitzen statt Stehen?
Der menschliche Körper ist für dynamische Bewegungen und gelegentliches Ausruhen in unterschiedlichen Körperhaltungen prädestiniert. Ergonomisch gesehen ist Sitzen die einzige Methode, den Körper für ortsgebundene Tätigkeiten geeignet zu unterstützen. Beim Stehen muss der Mensch unter ständigem Aufwand an statischer Muskelarbeit (Haltearbeit) die Gelenke in Füßen, Knien, Hüften etc. fixieren. Beim Sitzen fällt diese Muskelarbeit weg (Stützung). Deshalb ist u.a. im § 61 Abs. 5 ASchG festgelegt, dass für Arbeiten , die im Sitzen verrichtet werden können, den Arbeitnehmer/innen Sitzgelegenheiten zur Verfügung zu stellen sind.
Gesetzliche Bestimmungen zu Arbeitsplätzen (ASchG, BS-V, AStV, AAV) :
- Arbeitsplätze (allgemein): 61 ASchG
- Bildschirmarbeitsplätze: §§ 67, 68 ASchG, BS-V
- insbes. Raumhöhe, Bodenfläche: § 23 und 24 AStV
- Sitze, Tische, Werkbänke: § 49 AAV
Anthropometrie
Wissenschaft von den Maßverhältnissen am menschlichen Körper und deren exakte Bestimmung. Die Anthropometrie liefert die erforderlichen Grundlagen zur Anpassung der Arbeit an den Menschen.
Aufgabenstellung
Es geht hier darum geeignete Konstruktionsmaße zu finden (festzulegen), damit für einen Großteil der Menschen bei der Arbeit ergonomisch günstige Körperhaltungen eingenommen werden können. Dies betrifft insbesondere:
- Körperhaltung im Stehen oder Sitzen
- Sichtgeometrie (Augen - Arbeitsguthöhe)
- Greifgeometrie (Greifräume);
- Körperkräfte in Abhängigkeit der Körperhaltung
- Bewegungsräume und Bewegungsfreiräume
Aus durchschnittlichen Körperabmessungen können in der Regel nur sehr eingeschränkt ergonomisch günstige Konstruktionsmaße abgeleitet werden. Daher bedient man sich einer statistischen Aufbereitung der Körpermessdaten (Perzentile). Damit ergonomisch, wirtschaftlich und technisch vertretbare Konstruktionsmaße gefunden werden können, wurden die statistischen Körpermessdaten so festgelegt, dass der Streubereich 90 % der Personen einschließt. Dies bedeutet ergonomisch betrachtet für Innenmaße die Anwendung des 95. Perzentils und für Erreichbarkeitsmaße die Anwendung des 5. Perzentils, wobei für bestimmte Situationen, z.B. Höhe der Montage von Lichtschaltern, auch das 50. Perzentil von Bedeutung ist. Sicherheitstechnisch kann es notwendig sein, dass 99. Perzentil, z.B. für Durchgänge, oder das 1. Perzentil, z.B. für die Erreichbarkeit von Notausschaltern, anzuwenden. Die Körpermessdaten sind geordnet nach Altersstufen für Männer und Frauen getrennt angegeben, z.B. Beispiel in der ÖNORM DIN 33 402-1 und 2.
Was bedeutet der Begriff Perzentile?
Es bedeutet:
- X Durchschnitt einer Stichprobe (eines Körpermaßes)
- C Faktor für den Flächenteil unter der Glockenkurve. Für 90 %: 1,64
- S Streuung
Ein Streubereich von 90 % wurde gewählt, da er ergonomisch, wirtschaftlich und technisch vertretbar ist.
Das 5. Perzentil repräsentiert die Körpermaße „Klein“ - nur 5 % der jeweiligen Gruppe haben kleinere Abmessungen.
Das 95. Perzentil repräsentiert die Körpermaße „Groß“ - nur 5 % der jeweiligen Gruppe haben größere Abmessungen.
Grundregeln der Gestaltung
Es stellt sich grundsätzlich die Frage, welches Perzentil für die Dimensionierung der Konstruktionen heranzuziehen ist. Allgemein gilt:
- Für Innenmaße ist ergonomisch das 95. Perzentil anzuwenden. Es geht da rum, in etwas hineinzupassen, z.B. Beinfreiraum. Aus Gründen der Sicherheit ist es in manchen Fällen erforderlich, das 99. Perzentil anzuwenden, z.B. für Durchgänge.
- Für Erreichbarkeitsmaße ist das 5. Perzentil anzuwenden. Es geht darum etwas zu erreichen, ohne sich übermäßig recken oder strecken zu müssen, z.B. Greifräume). In Sonderfällen, z.B. bei Reichhöhen, ist auch noch die Sicht in die „Regale“ zu berücksichtigen. Aus Gründen der Sicherheit ist es in manchen Fällen erforde rlich, das 1. Perzentil anzuwenden, z.B. Erreichbarkeit von Notabschalteinrichtungen.
- Sonderfall - Arbeitshöhen oder Arbeitsflächenhöhen. Ergonomisch wäre es am Besten, soweit auf Grund des Arbeitsablaufes möglich, individuell höhenverstellbare Arbeitshöhen oder Arbeitsflächen anzuwenden. Im Allgemeinen werden Arbeitshöhen oder Arbeitsflächenhöhen vom Durchschnitt - 50. Perzentil - abgeleitet. Die Festlegung dieser Höhen bereitet bei großem Nutzerkreis und langen Tätigkeiten Schwierigkeiten. Geht man vom 50. Perzentil aus, so ist die Arbeitshöhe für 50 % des Personenkreises zu hoch und für 50 % zu niedrig. Daher ist die Festlegung der Arbeitshöhen wohl so auszulegen, dass besonders unergonomische Haltungen ausgeschaltet werden. Als technisch und ergonomisch tragbarer Kompromiss könnte man vom 25. Perzentil ausgehen. Diese Aussagen gelten für Steharbeitshöhen und für Sitzarbeitshöhen, bei denen der Arbeitsstuhl nicht verstellt werden kann. Für sitzende Tätigkeiten sind die Sichtbedingungen noch zu berücksichtigen, da sitzend meist Feinarbeiten verrichtet werden. Außerdem ergibt sich bei Tischen im Sitzen durch die Forderung, die Beinfreiräume auf das 95. Perzentil abzustellen, eine Mindesttischhöhe, so dass „kleine“ Personen oft nur mit Fußstützen sitzen können.
- Für überwiegende (Nutzung) durch Gesamtbevölkerung oder sporadische Nutzung kann vom Durchschnitt ( 50. Perzentil) ausgegangen werden (Türklinkenhöhen, Lichtschalterhöhen) .
Was bedeutet dies für den Arbeitsplatz?
Eingezwängtes Arbeiten (Sitzen, Stehen) verhindert die erforderlichen Ausgleichsbewegungen und gilt insbesondere für große Personen, daher 95. Perzentil.
Die Arbeitsgegenstände (Werkzeuge, Arbeitsmittel, Arbeitsgut) sind auf der Arbeitsfläche so anzuordnen, dass sie auch von der kleinsten Person (5. Perzentil) erreicht werden kann. Dies gilt insbesondere für Greifräume. Zur optimale n Arbeitsflächenhöhe ist zu bemerken, dass sie aus der optimalen Arbeitshöhe abgeleitet wird : Arbeitshöhe minus Höhe des „durchschnittlichen“ Angriffspunktes der Hand am Arbeitsgut.
Das 50. Perzentil (Orientierung am Durchschnitt) ist zulässig, wenn die Benutzung sporadisch (selten) ist oder der überwiegende Benutzerkreis die Gesamtbevölkerung ist. In diesen Fällen geht es nicht um Grenzbereiche , sondern um die Festlegung eines Optimalbereiches (z.B. Türklinkenhöhen, Lichtschalterhöhen).
Arbeitshöhen, Arbeitsflächenhöhen
Ist die Arbeitshöhe zu hoch, dann werden die Schultern zur Kompensation hochgezogen - führt auf Dauer zu Verspannungen und Verkrampfungen im Bereich der Schulterblätter, der Schultern und des Nackens. Ist hingegen die Arbeitshöhe zu niedrig, so wird der Rücken übermäßig gebeugt, was zu Rückenbeschwerden führt. Aus diesen Tatsachen ist abzuleiten , wie schwierig es ist, unverstellbare Einheiten (Arbeitsfläche, Arbeitsstuhl) möglichst richtig für verschiedene Nutzer/innen festzulegen. Daher wird in dieser Einführung nur auf die ÖNORM A 8061 „Arbeits-, Sitzflächen-, und Fußstützenhöhe im Produktionsbereich“ verwiesen.
Sehlinie, Sehraum
Der Kopf ist in entspannter Haltung ca. 10° - 15° gegen den Rumpf nach vorne geneigt. Das Auge ist in Ruhestellung ebenfalls nochmals 15° - 20° gegen die Horizontale geneigt. Daraus folgt, dass die augenbezogene Sehachse um ca. 25° - 30° gegen die Horizontale geneigt ist. Zwangshaltungen können nur dann vermieden werden, wenn die ständig oder Häufig zu beobachtenden Arbeitsobjekte unter diesem Winkelbereich positioniert sind. Ausgehend von der normalen Sehachse werden unter Berücksichtigung der seitlichen Sichtfelder für beliebige Einsichtsrichtungen folgende Bereiche unterschieden:
- Gesichtsfeld (keine Änderung der normalen Sehachse, keine Änderung des Sehbereiches, d.h. ohne Kopf- und Augenbewegungen)
- Blickgesichtsfeld (keine Änderung der normalen Sehachse, Änderung des Sehbereiches ohne Kopf- , aber mit Augenbewegungen, z.B. nach oben oder nach unten oder seitlich)
- Umblickgesichtsfeld (Änderung der normalen Sehachse durch Kopfbewegungen und Änderungen des Sehbereiches durch Augenbewegungen)
Bewegungsfreiraum, Beinfreiraum
Beinfreiräume sind auf das 95. Perzentil abzustellen. Da dies sehr einfac h geht, sind in den Normen die Beinfreiräume meist angegeben (z.B. ÖNORM A 5910, ÖNORM A 8021).
Greifräume
Grundsätzlich wird zwischen großem Greifraum (über Armbewegungen aus den Schultern erreichbar) und kleinem Greifraum (Bewegungen des Unterarmes) unterschieden. Der Begriff funktioneller großer oder kleiner Greifraum berücksichtigt, dass man die Arbeitsgegenstände nicht nur erreichen, sondern mit der Hand (Handmittelpunkt) auch fassen kann. Optimaler, erweiterter und maximaler Greifraum sind zusätzlich e Begriffe, die den folgenden Abbildungen entnommen werden können.
Reichhöhen
Reichhöhen sind wichtig für Regale, Abstellflächen und Bedienteile. In vielen Fällen sind die Sichtbedingungen zusätzlich zu beachten (Einsicht in Regale). Für die Regalhöhe können unter Berücksichtung der Einsehbarkeit folgende Vorgaben gemacht werden:
- Frauen: H = max. 150 cm; Männer: H = max. 160 cm;
- für diese Höhen Einsehbarkeit bis zu 60 cm Tiefe gewährleistet.