Ergonomie - Abschied vom Mythos eines Kostentreibers

Autor



Ing. Walter Ambros
Unternehmensberater
office@ergonomie-zentrum.com

Erhöht Ergonomie die Kosten ?

Immer noch überwiegt in den Unternehmungen und Organisationen das Kostendenken wenn es um Investitionen für die Arbeitsplatzgestaltung geht.

  • „Eine vom Tageslicht abhängige Steuerung für die Arbeitsraum – Beleuchtung?, spart das Energie?“
  • „Neue mobile Indirekt-Direkt Beleuchtungs-Stehlampen für`s Büro?, da können wir doch die vorhandenen Decken-Rasterleuchten verwenden.“
  • „Höhenverstellbare Schreibtische? Das kostet zu viel, wir haben doch erst vor Kurzen ergonomische Drehstühle gekauft.“
  • „Schraubstöcke die man in der Höhe verstellen kann? Gibt es so was? Die werden aber teuer sein.“

So bzw. so ähnlich wird in Hinblick auf zu erwartende Mehrkosten geantwortet wenn es um Vorschläge für die ergonomische Arbeitsplatzausstattung geht. Und natürlich ist Kostendenken richtig und wichtig. Aber Kostenreduzierung ist nicht immer die beste Lösung. Richtiger Weise sollte in der Regel Nutzendenken im Vordergrund stehen.

Ein weiterer Grund für die Meinung „Ergonomie ist teuer“ sind die zahlreichen korrektiven Maßnahmen die nach Beschwerden, Krankenständen oder erkennbaren Produktivitäts- und Qualitätsverschlechterungen oder aus Forderungen aus dem ArbeitnehmerInnen Schutzgesetz im Nachhinein durchgeführt werden müssen. Durch „Reparatur-Ergonomie“ entstehen dann natürlich zusätzliche Kosten.

nach Wittig, Effenberger
Blaha, Trends der Bildschirmarbeit, 2001

Kosten die man durch konzeptive Ergonomie vermeiden könnte. Was sich im Gesundheitsbereich und im Qualitätsmanagement ausreichend als Vorteil bewiesen hat, nämlich so früh wie möglich Ursachen und Wirkungen in Planungsprozesse einfließen zu lassen, findet für die Ergonomie leider noch zu wenig statt.

Richtige Planung reduziert Kosten und erhöht Nutzen

Damit z. B. das neue Gebäude das Nutzerverhalten bestmöglich unterstützen kann, muss dieses den Unternehmensprozess abbilden und nicht nur eine atemberaubende Hülle sein.

Oft genug ist räumliche Beengtheit ausschlaggebend für die Entscheidung neu zu bauen.

Wird dann nur größer als zuvor gebaut, ziehen möglicherweise nicht nur die Mitarbeiter sondern auch deren Probleme mit um. Und unversehens sind diese Probleme also wieder da:

Hier erschwert der abendliche Sonnenlichteinfall die Bildschirmarbeit, dort stört die benachbarte Teeküche das konzentrierte Arbeiten, und wieso müssen ausgerechnet die MitarbeiterInnen mit der meisten Korrespondenz am Weg zur Poststelle an drei Abteilungen vorbei an das Ende des Gebäudes gehen? In der Praxis wird oft deutlich was bei der Planung u. a. verabsäumt wurde, nämlich die Einbeziehung von künftigen Benutzern und Ergonomen.

Quelle: Dress & Sommer

Die Einbeziehung dieser Informanten in den Planungsprozess reduziert das Fehlerpotential deutlich und leistet dazu einen wesentlichen Beitrag zu menschengerechteren Arbeitsbedingungen.

Mehr Leistung bei gleichem Lohn

Bessere Arbeitsbedingungen durch optimale Arbeitsgestaltung erhöhen die Produktivität.

Weil aber viel zu oft die Verantwortlichen in den Unternehmen – fälschlicherweise – annehmen, dass Leistungssteigerungen nur marginal möglich seien und Produktivitätsunterschiede zwischen eigenen MitarbeiterInnen und jenen in anderen Unternehmen nicht relevant sind, verzichtet man auf diesen Nutzen der durch den Einsatz der Ergonomie lukriert werden kann.

Die folgende Aufstellung zeigt die interindividuellen Differenzen als Verhältnis der Leistung des am wenigsten Produktiven zu den Produktivsten:

  • Verschiedene Produktionstätigkeiten 1:2 – 1:3
  • Schuster 1: 1,5
  • Manager 1:3 – 1:6
  • Versicherungsvertreter 1:14
  • Rechtsanwälte (Schadenersatz) 1:20
  • Programmiere 1:40
  • Wissenschafter 1:100

Quelle: Schuler,1966

 Wenn es so gravierende Leistungsunterschiede gibt, ist es notwendig nicht nur die üblicherweise zur Arbeitsgestaltung eingesetzten „weichen Faktoren“ wie Handlungsspielraum, Transparenz, Verantwortung, Qualifikation, soziale Struktur etc.

zu beachten. Auch nicht nur jene der Vermeidung von Unter- oder Überforderung wie Pausengestaltung und Anpassung an rhythmische Schwankungen des Menschen.

Auch die „hard facts“ der ergonomischen Arbeitsplatzgestaltung sind selbstverständlich leistungsfördernd.

Die Berücksichtigung der menschlichen Körper- und Funktionsmaße,

  • die Minimierung statischer Muskelarbeit,
  • die Vermeidung speziell einseitiger und körperlicher Belastung,
  • die Art der Arbeitsführung,
  • die greifgünstige Lagerung,
  • die Gestaltung und Kompatibilität von Stellteilen und Anzeigen,
  • die Materialbereitstellung (Art, Größe von Transportbehältern).

Darüber hinaus unterstützt ergonomisches Denken die Ausschaltung eventueller Sicherheits- und Gesundheitsgefährdungen und reduziert negative Einflüsse von Umgebungsbedingungen wie Klima, Lärm, Schwingungen, Staub etc. und optimiert z.B. die Sehbedingungen.

Ergonomie ist immer wirtschaftlich

 Angesichts der problematischen Situation der Arbeitskosten in den hoch industrialisierten Volkswirtschaften, der demografischen Entwicklung und der finanziellen Dauerkrise im Gesundheitssystem müsste es doch einsichtig sein, dass die wichtigste Ressource einer jeden Organisation – die Mitarbeiter – besser genützt werden müssen. Die Organisation für und rund um den Arbeitsplatz muss so gestaltet sein, dass der Mensch optimal wirken und sich entfalten kann.

Den Unternehmensleitungen und Führungskräften stehen also bei Einsatz der Ergonomie eine Vielfalt von Einflussfaktoren zur Verfügung, um nicht mit weniger sondern besserer Arbeit die Produktivität zu steigern.

Weitere Informationen: PDF, 422KB