Erhebung zur Verwendung von Hebe- und Tragehilfen
in österreichischen Krankenanstalten
Autor
Martin Wieland
Gesundheitsmanagement OEG, Wien
office@gesundheits-management.at
Pflegekräfte sind jene Berufsgruppe, die am meisten unter schweren Rückenbeschwerden zu leiden hat – und das fast ausschließlich bedingt durch das manuelle Heben- und Tragen von PatientInnen. Die Mehrheit der Pflegekräfte kann bei ihrer Arbeit prinzipiell auf Hebehilfen zurückgreifen. Viele verzichten jedoch aus unterschiedlichsten Gründen auf den Einsatz von Hebehilfen.
Die durchgeführte Umfrage ist nun erstmals in Österreich der Frage nachgegangen, warum die Geräte nicht verwendet werden.
Das Wissen, unter welchen Umständen Hebe- und Tragehilfen in Gesundheitseinrichtungen verwendet werden und warum sie oft nicht verwendet werden, dient als Ausgangsbasis, um Strategien und Konzepte zur Verbesserung und vermehrten Annahme dieser Hilfsmittel zu entwickeln.
Zusammenfassung
Pflegekräfte sind durch ihre Arbeitstätigkeit erheblichen Belastungen der Wirbelsäule ausgesetzt. Die hohen mechanischen Belastungen sind ein Hauptgrund für die stark verbreiteten Rückenbeschwerden, die sich in überdurchschnittlich häufigen Krankenstandstagen aufgrund von Muskel-Skelett-Erkrankungen niederschlagen.
Ergonomische Risiken und die damit verbundenen Muskel-Skelett-Erkrankungen führen die berufsbedingten Krankheiten in Gesundheitsberufen an (de Castro 2004).
Pflegekräfte sind jene Berufsgruppe, die am meisten unter schweren Rückenbeschwerden zu leiden hat – und das fast ausschließlich bedingt durch das manuelle Heben- und Tragen von PatientInnen.
Sectors with the highest number of work-related MSD complaints (per 100,000 workers) | |
---|---|
Health and social work |
4283 |
Transport and communication |
3160 |
Construction |
3158 |
Total population |
2645 |
Quelle: European Agency for Safety and Health at Work 2007 - http://osha.europa.eu
Eine große schwedische Studie (Engkvist et al., 2001) hat festgestellt, dass oftmaliges Heben- und Tragen von PatientInnen ohne entsprechende Hebe- und Tragehilfen die Hauptursache für Rückenbeschwerden in Pflegeberufen darstellt.
Rückenprobleme sowie andere Arten von Muskel- und Skeletterkrankungen sind ein wichtiger Faktor für den Mangel an Arbeitskräften im Gesundheitssektor.
In den USA schätzt man, dass 12% des Pflegepersonals einen Berufswechsel wegen der körperlichen Belastungen andenkt und weitere 12%-18% den Pflegeberuf aufgrund chronischer Rückenschmerzen aufgeben (Moses, 1992; Owen, 1989).
Ähnliche Studien gibt es auch in Europa: eine aktuelle Studie aus Schweden zeigt auf, dass Pflegepersonal mit Muskel-Skelett-Beschwerden und solche mit eingeschränktem Zugang zu Hebe- und Tragehilfen am ehesten den Beruf aufgeben (Fochsen et al., 2006).
Die Belastung der Volkswirtschaft aufgrund von Berufsausfällen durch Muskel-Skelett-Erkrankungen in Pflegeberufen ist enorm. Durch eine Vielzahl von Präventionsmaßnahmen wird bereits versucht, dagegen zu steuern.
Viele Maßnahmen - wie etwa die Schulung des Pflegepersonals in verschiedenen Hebe- und Tragetechniken sowie Körperarbeit (Kinestetik, Bopart, etc.) – sind immer noch weit verbreitet, obwohl aktuelle Studien beweisen, dass diese Techniken nicht zur Vermeidung von Beschwerden und Erkrankungen führen (siehe diverse Veröffentlichungen der Europäischen Agentur für Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit).
Die Mehrheit der Pflegekräfte kann bei ihrer Arbeit prinzipiell auf Hebehilfen zurückgreifen. Viele verzichten jedoch aus unterschiedlichsten Gründen auf den Einsatz von Hebehilfen.
Die durchgeführte Umfrage ist nun erstmals in Österreich der Frage nachgegangen, warum die Geräte nicht verwendet werden.
Das Wissen, unter welchen Umständen Hebe- und Tragehilfen in Gesundheitseinrichtungen verwendet werden und warum sie oft nicht verwendet werden, dient als Ausgangsbasis, um Strategien und Konzepte zur Verbesserung und vermehrten Annahme dieser Hilfsmittel zu entwickeln.
Insgesamt wurden 270 Fragebögen österreichweit verteilt, dabei wurden drei Krankenhäuser pro Bundesland mit jeweils 10 Fragebögen beschickt. Die Verteilung erfolgte über die Pflegedienstleitungen, die im Vorfeld über die Umfrage telefonisch informiert wurden. Damit konnten gezielt jene Personen aus den Bereichen Pflege, Akut- und Notfallstationen erreicht werden, die besonders durch Hebe- und Tragetätigkeit beansprucht sind.
Es wurden 172 ausgefüllte Fragebögen retourniert was einer Rücklaufquote von 64% entspricht!
Rund 75% der UmfrageteilnehmerInnen sind Frauen, die meisten im Alter zwischen 40 und 49 Jahren. 45% der Befragten sind schon über 20 Jahre im Beruf tätig, wobei über 80% der Befragten vollzeitbeschäftigt sind.
70% wurden im Rahmen ihrer beruflichen Ausbildung im richtigen Heben und Tragen unterrichtet, davon wurden jedoch nur 48% auch im Umgang mit Hebe- und Tragehilfen geschult.
50% der Befragten gaben an, dass bei Ihnen im Haus ein Fortbildungsangebot zum Thema Heben- und Tragen besteht, 36% haben dieses auch bereits einmal in Anspruch genommen.
Über 60% der UmfrageteilnehmerInnen müssen täglich öfter als 10x PatientInnen heben, bewegen oder aufrichten, 15% davon sogar öfter als 30x am Tag.
10% der Befragten geben an, dass Ihnen am Arbeitsplatz keine Hebe- und Tragehilfen zur Verfügung stehen.
Dort wo diese Geräte zur Verfügung stehen, wurden 80% des Personals im Umgang damit geschult. In nur 27% der Fälle befinden sich die Geräte direkt am Einsatzort, in 63% der Fälle müssen diese erst geholt werden.
39% der Befragten geben an, dass sie die Geräte immer bis sehr oft verwenden, über 60% verwenden die Hebe- und Tragehilfen selten bis nie.
Die Gründe, warum auf die Verwendung von Hebe- und Tragehilfen verzichtet wird, sind:
- Am Patientenbett ist zu wenig Platz (30,8%)
- Das Gerät steht zu weit vom Einsatzort entfernt (22,1%)
- Zu wenig Zeit, das Gerät zu verwenden (19,8%)
- Das Gerät bringt keine Arbeitserleichterung (16,9%)
- PatientInnen mögen das nicht (11,6%)
- Das Gerät ist schwer zu bedienen (5,2%)
- KollegInnen verwenden es auch nicht (2,9%)
- Ich kenne mich mit dem Gerät nicht aus (1,2%)
20,3% gaben andere Gründe dafür an, warum sie Hebe- und Tragehilfen nicht verwenden. Diese reichen von „Ich wende ohnehin Kinestetik an“ bis zu „Es steht kein Gerät zur Verfügung“.
Bei der Frage, ob das maximale Hebegewicht durch eine gesetzliche Regelung festgelegt werden soll, antworten 50% der Befragten mit ja.
32% würden diese Gewichtsgrenze zwischen 20 kg und 40 kg anlegen, 29% sogar mit über 60kg.
39% haben sehr oft bis oft Beschwerden am Stütz- und Bewegungsapperat, 35% manchmal und nur 3,6% niemals.
Am stärksten sind der untere Rücken und die Kreuzregion bei 74% der Befragten betroffen, gefolgt vom Nacken- und Schulterbereich in dem rund 50% Beschwerden haben. 70% führen diese Beschwerden auf ihre berufliche Tätigkeit zurück, trotzdem geben 53% der Befragten an, noch nie Krankenstandstage wegen Muskel-Skelettschmerzen in Anspruch genommen zu haben.
Link zur vollständigen Studie...
Literatur
de Castro, AB. (2004) Handle with Care: The American Nurses Association's Campaign to Address Work-Related Musculoskeletal Disorders. Online J Issues Nurs 9(3):3.
Engkvist, IL, Wigaeus Hjelm E, Hagberg M, Menckel W and Ekenwall, L. (2000). Risk indicators for reported ever-exertion injuries among female nursing personnel. Epidemiology 11: 519-22.
European Agency for Safety and Health at Work (2002). How to Tackle Psychosocial Issues and Reduce Work-related Stress.
Fochsen G, Josephson M, Hagberg M, Toomingas A and Lagerström M. (2006). Predictors of leaving nursing care: a longitudinal study among Swedish nursing personnel. Occup Environ Med 63: 198-201.
Moses, EB. (Ed.) (1992). The registered nurse population; findings from the national sample survey of registered nurses. Washington DC: U.S. Department of Health and Human Services, U.S. Public Health Service, Division of Nursing.