Beurteilung manueller Lasthandhabung durch Hersteller/innen gemäß ÖNORM EN 1005
Für Arbeitsplätze an Maschinen sind von Hersteller/innen für die Beurteilung der manuellen Lasthandhabung, die Normen ÖNORM EN 1005 Teil 1 - 5 „Sicherheit von Maschinen - Menschliche körperliche Leistung“ als Stand der Technik heranzuziehen. Daher können die Risikobeurteilungen der Hersteller/innen von Arbeitgeber/innen genutzt werden, um ihrer Verpflichtung zu Ermittlung, Beurteilung und Dokumentation der Gefahren durch manuelle Lasthandhabung mit nur geringem Aufwand nachzukommen.
Die Norm ÖNORM EN 1005 Sicherheit von Maschinen - Menschliche körperliche Leistung - Teil 1 bis 5 ist eine harmonisierte Norm zur Maschinenrichtlinie (89/392/EWG).
Die Normenteile haben die folgenden Inhalte:
- Teil 1: Begriffe
- Teil 2: Manuelle Handhabung von Gegenständen in Verbindung mit Maschinen und Maschinenteilen
- Teil 3: Empfohlene Kraftgrenzen bei Maschinenbetätigung
- Teil 4: Bewertung von Körperhaltungen und Bewegungen bei der Arbeit an Maschinen
- Teil 5: Risikobeurteilung für kurzzyklische Tätigkeiten bei hohen Handhabungsfrequenzen
Die Norm richtet sich primär an Hersteller von Maschinen, und fordert entsprechend der Maschinenrichtlinie, eine Beurteilung der möglichen Gefährdungen während des gesamten Lebenszyklus einer Maschine. D.h. die Hersteller müssen nicht nur den normalen Betrieb der Maschine betrachten, sondern auch die Phasen der Montage, Wartung, Demontage und Entsorgung bei ihren Überlegungen berücksichtigen.
Für die manuelle Lastenhandhabung ist besonders Teil 2 der Norm von Interesse. Ist das Lastgewicht jedoch unter 3 kg, so kann Teil 5 der Norm interessant sein, besonders wenn die Taktzeiten der Tätigkeiten kurz sind. Teil 2 gilt ausdrücklich nicht für das Halten von Gegenständen, das Schieben oder Ziehen, handgeführte Maschinen und die manuelle Lastenhandhabung im Sitzen.
Im Teil 2 der Norm zur manuellen Handhabung von Gegenständen in Verbindung mit Maschinen und Maschinenteilen werden ergonomische Gestaltungskriterien festgelegt. Er fordert ein dreistufiges Vorgehen des Konstrukteurs:
- Vermeidung manueller Handhabung
- Anwendung technischer Hilfsmittel
- Verminderung des Restrisikos
Ist manuelle Handhabung bei der Maschine nötig, so ist bereits der Entwurf der Maschine einer Risikobeurteilung zu unterziehen, die zu einer Änderung der Konstruktion führen kann. Ist das Risiko vertretbar, so kann nach eventuell möglichen weiteren Schritten zur Minimierung der Lastenhandhabung die Maschine gebaut werden.
Zentraler Punkt Risikobeurteilung
Zur Überprüfung von Sicherheits- und Gesundheitsrisiken für den Menschen muss der Konstrukteur die möglicherweise auftretenden Gefährdungen erkennen und eine geeignete Risikobeurteilung durchführen. Die Norm schlägt dabei einen Ablauf vor, der zu einem annehmbaren Risiko bei vertretbarem Aufwand führen soll. Folgende Aspekte nennt die Norm, die berücksichtig werden müssen:
Gegenstand:
- Masse
- Massenverteilung
- Größe
- Griffe/Handgriffe
Schnittstelle von Operateur und Maschine
- Position und Abstand
- Frequenz
- Arbeitshaltungen
- Tragen von Lasten
- einhändige Handhabung
- Handhabung durch zwei Personen
- zusätzliche physische Belastungen
- Greifbedingungen
Arbeitsumgebungsbedingungen
- mechanische Schwingungen
- Klima
- Beleuchtung
- rutschiger Boden
- Lärm
- chemische Substanzen
Grundsätzlich können die Verfahren zur Risikoanalyse jeweils in drei Schritten durchgeführt werden:
- Schritt 1: Berücksichtigung der Bezugsmasse bezogen auf die vorgesehene Anwenderpopulation
- Schritt 2: Durchführung der Risikobeurteilung
- Schritt 3: Erforderliche Maßnahmen
Verfahren 1:
Beim Verfahren 1, der Grobanalyse anhand der kritischen Lastfälle, müssen eine Reihe von Voraussetzungen erfüllt sein, damit dieses Verfahren zur Anwendung kommen kann. Zum Beispiel muss die Rumpfhaltung aufrecht und nicht verdreht sein.
Prinzipiell wird im Verfahren 1 so vorgegangen, dass in Abhängigkeit von der vorgesehenen Anwendergruppe die Bezugsmasse (M ref) ausgewählt wird (siehe Tabelle1). Anschließend werden die drei kritischen Lastfälle kritische Masse, kritische Hubdistanz und kritische Frequenz, mit den Grenzwerten für die einzelnen Lastfälle der Norm überprüft. Erfüllt die Konstruktion einen dieser kritischen Lastfälle ist die Risikoanalyse des Verfahrens 1 bereits wieder abgeschlossen und das Risiko wird als vertretbar eingestuft.
Tabelle 1: Bezugsmasse aus ÖNORM EN 1005-2
Erfüllt die Konstruktion die Voraussetzungen nicht, muss das zweite Verfahren angewandt werden. Werden hingegen die Grenzen der kritischen Lastfälle überschritten, so sind Verbesserungsmaßnahmen zu treffen, und mit Verfahren 2 zu überprüfen.
Verfahren 2: Einschätzung anhand von Tabellenwerten
Bei diesem Verfahren werden nach dem Überprüfen der nötigen Voraussetzungen, Multiplikatoren aus Tabellen zur Berechnung der empfohlenen Massengrenze herangezogen. Aus der tatsächlich zu handhabenden Masse und der empfohlenen Massengrenze wird im Anschluss ein Risikoindex errechnet, der mit Ampelsystem hinterlegt ist. Bei "Rot" muss die Konstruktion verbessert werden und das Verfahren 3 zur Überprüfung angewandt werden.
Verfahren 3: Berechnung anhand von Formeln
Bei diesem Verfahren wird ebenfalls eine empfohlene Massengrenze ermittelt, allerdings wird sie mit Hilfe von Formeln – ähnlich der NIOSH-Formel zur Lastenhandhabung – aus den vorliegenden Verhältnissen errechnet. Der Risikoindex soll wie bei Verfahren 2 unter 0,85 liegen, damit das Risiko als vertretbar angesehen werden kann. Ist das Risiko höher müssen Um- oder Neugestaltungsmaßnahmen ergriffen werden, oder es muss sichergestellt werden, dass das Risiko vertretbar ist.
Anwenderinformationen
Neben den Berechnungsverfahren enthält die Norm Hinweise welche Informationen für die Anwender der Maschine insbesondere für die manuelle Lastenhandhabung in der Betriebsanleitung enthalten sein sollen:
- Allgemeine Informationen: z.B. Risiken und Restrisiken
- Vorgesehener Einsatz der Maschine: z.B. Platzbedarf, Bedingungen für die Verminderung von Diskomfort, Ermüdung und Belastung
- Masse von Gegenständen: z.B. Masse der Gegenstände und Folgen, die sich aus dem Handhaben der Last ergeben
- Technische Ausrüstung: z.B. Einsatz
- Kennzeichnung: z.B. Kennzeichnung von Gegenständen über 25 kg
- Betriebsanleitung: z.B. Angaben wann welche technische Ausrüstung angewandt werden muss
Im Anhang der Norm sind unter anderem Arbeitsblätter abgedruckt, die die Anwendung der einzelnen Verfahren erleichtern sollen.