Rechtliche Grundlagen zur Prävention von Muskel- und Skeletterkrankungen

Autorin



Drin Alexandra Marx
BMWA, Sektion Arbeitsrecht und Arbeitsinspektion
post@iii3.bmwa.gv.at

Neben dem ArbeitnehmerInnenschutzgesetz enthalten insbesondere die Verordnung Lärm und Vibrationen und die Bildschirmarbeitsverordnung spezielle Regelungen, die auf Gefährdungen des Bewegungs- und Stützapparates abstellen. Arbeitsvorgänge und –plätze sind grundsätzlich ergonomisch zu gestalten. Dieser Aspekt sowie konkrete Belastungen wie etwa manuelle Handhabung von Lasten, Vibrationen oder Bildschirmarbeit sind auch bei der Arbeitsplatzevaluierung besonders zu berücksichtigen. Bestimmte Belastungen, wie Lasthandhabung, Vibrationen oder Arbeiten in Zwangshaltungen, sind zu vermeiden oder zumindest möglichst gering zu halten (Minimierungsgebot). Ist dies nicht durchführbar sind entsprechende Maßnahmen zu setzen, um eine Gefährdung hintanzuhalten. Sonderbestimmungen sind für Frauen, Schwangere und Jugendliche vorgesehen.

Im österreichischen Arbeitnehmerschutzrecht gibt es eine Vielzahl an Bestimmungen, die der Prävention von Muskel- und Skeletterkrankungen dienen. Diese basieren auch auf europäischen Richtlinienvorgaben (z.B. „Lastenrichtlinie“ RL/90/269/EWG, „Bildschirmrichtlinie“ RL 90/270/EWG, „Vibrationenrichtlinie“ RL 2002/44/EG). Entsprechende Regelungen enthalten etwa folgende Vorschriften:

1. Allgemeine Bestimmungen zu Arbeitsvorgängen und -plätzen

Demnach müssen Arbeitgeber/innen dafür sorgen, dass Arbeitsvorgänge und -plätze so gestaltet werden, dass ein wirksamer Schutz des Lebens und der Gesundheit der Arbeitnehmer/innen erreicht wird und die Arbeit ohne Gefahr für Sicherheit und Gesundheit verrichtet werden kann.

Arbeiten sollen nach Möglichkeit ganz oder teilweise im Sitzen verrichtet werden können. Dazu sind geeignete Sitzgelegenheiten, Arbeitstische, Werkbänke und sonstige Einrichtungen zur Verfügung zu stellen (z.B. entsprechende Form, Höhe). Ist ein sitzendes Arbeiten nicht möglich, so müssen in der Nähe der Arbeitsplätze Sitzgelegenheiten bereitgestellt werden. Es muss eine freie unverstellte Fläche am Arbeitsplatz (oder in der Nähe) vorhanden sein, damit sich die Arbeitnehmer/innen ungehindert bewegen können.

Die ständige Durchführung von Arbeiten in Zwangshaltung (z.B. mit über den Kopf gestreckten Armen, in stark gebückter oder knieender Stellung) muss möglichst vermieden werden, erforderlichenfalls durch Verwendung entsprechender Mittel, wie Hebe- oder Absenkvorrichtungen. Für Arbeiten, die dennoch am Boden liegend, sitzend oder knieend durchgeführt werden müssen, sind gegebenenfalls Unterlagen mit ausreichend hoher Wärmedämmung und geringer Wärmeableitung bzw. gepolsterte Unterlagen oder Knieschützer und erforderlichenfalls auch ein Schutz gegen Feuchtigkeit zur Verfügung zu stellen.

Auch persönliche Schutzausrüstung muss den ergonomischen Anforderungen und den gesundheitlichen Erfordernissen der Arbeitnehmer/innen Rechnung tragen.

§§ 60, 61 Abs. 1, 4, 5 und 8, § 70 ASchG | § 48 Abs. 4, §§ 49, 70 AAV | §§ 17, 28 Abs. 3 BauV

Generell sind Arbeitgeber/innen verpflichtet, bei der Ermittlung und Beurteilung der Gefahren und Festlegung von Maßnahmen (Arbeitsplatzevaluierung) auch die Gestaltung der Arbeitsplätze, -verfahren und -vorgänge und deren Zusammenwirken zu berücksichtigen. Auch die Grundsätze der Gefahrenverhütung nehmen auf eine entsprechende Arbeitsgestaltung Bezug.

In arbeitsphysiologischen und ergonomischen Fragen, insbesondere der Gestaltung der Arbeitsplätze und -abläufe, haben die Arbeitgeber/innen zur Unterstützung Sicherheitsfachkräfte, Arbeitsmediziner/innen oder sonstige Fachleute, wie etwa aus dem Fachgebiet der Ergonomie, heranzuziehen. Sicherheitsvertrauenspersonen (bzw. Belegschaftsorgane) haben auch in diesen Fragen Mitwirkungsrechte.

§ 4 Abs. 1 Z 4 und 5, §§ 7, 11, § 76 Abs. 3 Z 6, § 78b Abs. 2 Z 1, § 81 Abs. 3 Z 6 ASchG | § 92a ArbVG

2. Spezielle Bestimmungen

 

2.1. Handhabung von Lasten

Händisches Bewegen von Lasten , das eine Gefährdung – insbesondere des Bewegungs- und Stützapparates – mit sich bringt, muss vermieden werden. Ist dies nicht möglich, so müssen organisatorische Maßnahmen getroffen oder Hilfsmittel zur Verfügung gestellt werden. Müssen Arbeitnehmer/innen dennoch Lasten manuell handhaben, so ist dies im Rahmen der Ermittlung und Beurteilung der Gefahren entsprechend zu berücksichtigen (z.B. Merkmale der Last, erforderlicher körperlicher Kraftaufwand, Arbeitsumgebung, Aufgabenerfordernisse). Arbeitgeber/innen müssen jedenfalls Maßnahmen setzen, damit es nicht zu einer Gefährdung des Bewegungs- und Stützapparates kommt oder dass solche Gefährdungen gering gehalten werden.

Zum Heben, Tragen oder Bewegen von Lasten dürfen Arbeitnehmer/innen nur nach Maßgabe ihrer Konstitution und Körperkräfte herangezogen werden.

§ 64 ASchG | § 62 AAV

2.2. Vibrationen (Erschütterungen)

Arbeitgeber/innen müssen Arbeitsvorgänge und -plätze so gestalten, dass das Ausmaß von Erschütterungen, die auf den menschlichen Körper übertragen werden, möglichst gering gehalten wird. Gefahren durch Vibrationen müssen am Entstehungsort ausgeschlossen oder so weit verringert werden, als dies nach dem Stand der Technik und der Verfügbarkeit von geeigneten technischen Mitteln möglich ist. Unter Beachtung der Grundsätze der Gefahrenverhütung sind Maßnahmen (z.B. bauliche, raumakustische, technische, organisatorische) durchzuführen um Vibrationen auf das niedrigste in der Praxis vertretbare Niveau zu senken.

Das Ausmaß der Vibrationen ist durch Bewertungen (z.B. an Hand von Herstellerangaben) bzw. daran anschließend Messungen durch Fachkundige festzustellen.

Grundsätzlich dürfen bestimmte Expositionsgrenzwerte nicht überschritten werden, Auslösewerte sollten nicht überschritten werden. Wird der Auslösewert überschritten, so sind verschiedene Maßnahmen zu setzen (z.B. spezielle Information und Unterweisung der Arbeitnehmer/innen, Erstellung eines Maßnahmenprogrammes). Um den Expositionsgrenzwert zu unterschreiten, ist den Arbeitnehmer/innen persönliche Schutzausrüstung zur Verfügung zu stellen (sofern eine solche erhältlich ist). Gewisse Bereiche sind zu kennzeichnen und gegebenenfalls auch abzugrenzen.

Ab dem Auslösewert sind den Arbeitnehmer/innen auf Wunsch Untersuchungen zu ermöglichen (vor Aufnahme der Tätigkeit sowie bei Fortdauer alle vier Jahre).

Bei der Arbeitsplatzevaluierung sind Vibrationen im Speziellen zu berücksichtigen.

§ 66, § 61 Abs. 8 ASchG | VOLV, § 5 Abs. 1 Z 3 VGÜ

2.3. Bildschirmarbeit

Arbeitgeber/innen sind verpflichtet Bildschirmarbeitsplätze ergonomisch zu gestalten. Es dürfen nur Geräte verwendet werden, die dem Stand der Technik und den ergonomischen Anforderungen entsprechen. Geeignete Arbeitstische und Sitzgelegenheiten sind zur Verfügung zu stellen. Es muss ausreichend Platz für wechselnde Arbeitshaltungen vorhanden ist. Für eine geeignete Beleuchtung ist zu sorgen, Reflexionen und Blendungen sind zu vermeiden. Entsprechende Software muss zum Einsatz kommen. Weiters sind folgende Maßnahmen vorgesehen:

  • regelmäßige Pausen oder Tätigkeitswechsel (nach jeweils 50 Minuten Bildschirmarbeit – Pause oder Tätigkeitswechsel im Ausmaß von 10 Minuten)
  • Augenuntersuchungen, Bildschirmbrille (Die Kosten dieser Maßnahmen sind grundsätzlich von den Arbeitgeber/innen zu tragen).

Im Rahmen der Arbeitsplatzevaluierung ist auf Bildschirmarbeit besonders Bedacht zu nehmen (z.B. mögliche physische und psychische Belastungen). Arbeitnehmer/innen sind speziell zu informieren und zu unterweisen (z.B. zur ergonomisch richtigen Einstellung und Anordnung der Geräte).

§§ 67, 68 ASchG | BS-V

3. Sonderbestimmungen

 

3.1. Frauen, werdende und stillende Mütter

Arbeitnehmerinnen dürfen mit Arbeiten, bei denen sie einer besonderen physischen Belastung durch Heben oder sonstiges Befördern von Lasten, ausgesetzt sind, mit der eine für sie unzuträgliche Beanspruchung des Organismus verbunden ist, nicht beschäftigt werden. Bei der Beurteilung sind die maßgebenden Faktoren zu berücksichtigen (z.B. Gewicht, Art und Form der Last, Beförderungsweg und -geschwindigkeit, Dauer und Häufigkeit der Arbeiten, Leistungsfähigkeit der Arbeitnehmerinnen). Das Verbot gilt nicht für kurzzeitige u.ä. Arbeiten.

Für werdende und stillende Mütter sind bestimmte Beschäftigungsbeschränkungen festgelegt (z.B. kein regelmäßiges Heben von Lasten über 5 kg, kein überwiegendes Arbeiten im Stehen ohne Sitzgelegenheit). Im Rahmen der Mutterschutzevaluierung sind entsprechende Belastung im Speziellen zu berücksichtigen (z.B. Erschütterungen, Bewegen schwerer Lasten von Hand).

§ 4 der Verordnung über Beschäftigungsverbote und –beschränkungen für Arbeitnehmerinnen
§ 2a Abs. 2 Z 1, 2 und 6, § 4 Abs. 2 Z 1, 2, 5 bis 7, 9, 10, Abs. 5 des Mutterschutzgesetzes

3.2. Jugendliche Arbeitnehmer/innen

Im Rahmen der Jugendschutzevaluierung und der Unterweisung von Jugendlichen ist in Zusammenhang mit Arbeitsvorgängen generell auch auf Belastungen des Bewegungs- und Stützapparates Bedacht zu nehmen. Darüber hinaus sind Arbeiten, die die physische Leistungsfähigkeit Jugendlicher übersteigen, verboten (z.B. Heben von Lasten mit oder ohne Hilfsmittel soweit damit eine für Jugendliche unzuträgliche Beanspruchung des Organismus verbunden ist, Stemmarbeiten, Massagearbeiten).

In Bezug auf Arbeiten unter Einwirkung von Vibrationen gelten für Jugendliche strengere Grenzwerte (Auslösewert = Expositionsgrenzwert).

§ 23 Abs. 1 Z 4, § 24 KJBG | § 5 Z 1 und 2, § 6 Abs. 1 Z 1, § 7 Z 20 KJBG-VO | § 3 Abs. 1 Z 4 VOLV
Hinweis: § 4 Abs. 1 KJBG-VO wurde in Hinblick auf Vibrationen durch die VOLV obsolet.