„Ist man alt, so antworten die Knochen“ aber „ des alten Baumes Wurzeln sind immer stark“

AutorIN



Drin Elsbeth Huber
BMWA, Sektion Arbeitsrecht und Arbeitsinspektion Abteilung Arbeitsmedizin und Arbeitshygiene
post@iii4.bmwa.gv.at

Rückenschmerzen stellen heute das größte Gesundheitsproblem für Arbeitnehmer/innen in Europa dar. Volkswirtschaftlich und für die Arbeitgeber/innen bedeutet dies Kosten in Milliardenhöhe.

Die zu erwartende demografische Entwicklung in Österreich und Europa wird diese Situation noch verschärfen. Ungeachtet aller Prognoseunsicherheiten kommen alle vorliegenden Szenarien zu dem Ergebnis, dass nach 2010 der Anteil der über 60-jährigen an der Bevölkerung im Erwerbsleben deutlich weiter steigen, derjenigen der 15- bis 60- Jährigen weiter leicht abnehmen wird.

E Eine frühzeitige Erleichterung der Arbeit durch z.B. Arbeiten im Team, Verwendung technischer Hilfsmittel, er gonomische Arbeitsplatzgestaltung und Erholungsmöglichkeiten durch Mikropausen in der Arbeitszeit kann die Arbeitsfähigkeit der Beschäftigten langfristig erhalten und hilft sowohl jungen als auch älteren Arbeitnehmer/innen .

Demografische Entwicklung

Die Entwicklung wird dabei von vier wesentlichen Faktoren beeinflusst werden: die Alterspyramide, die Fertilität und Mortalität der Gesellschaft, sowie die Migration.

Ein jüngst veröffentlichtes Ergebnis des „Fourth European Working Conditions Survey“ der Dublin Foundation zeigte, dass ca. 60 % der befragten Beschäftigten in Österreich sich vorstellen können noch im Alter von 60 ihren Job zu machen.

Das derzeitige Durchschnittsalter der Unternehmensbelegschaft liegt aber in Österreich bei 40 Jahren. Die Beschäftigungsquote der Menschen zwischen 55 und 64 Lebensjahren liegt in Österreich bei 31,8 Prozent und hinkt damit dem EU-Wert (42,5 %) um mehr als zehn Prozentpunkte, dem vom Europäischen Rat angepeilten Ziel sogar um 20 Prozentpunkte hinten nach.

Die Bedingungen in den Betrieben ermöglichen jedoch heute kaum einen Anstieg der Anzahl Älterer. Die Betriebe setzen nach wie vor auf Jüngere. Nur 15 % befragter Unternehmen kennen Initiativen oder Projekte, die darauf abzielen, ältere Arbeitnehmer/innen (50+) zu beschäftigen und nur 13 % verfolgen im eigenen Betrieb solche Strategien. (Quelle: Telefonumfrage unter 700 Unternehmen/market/Zukunftsforum Österreich, 2006). Die Wertschätzung Älterer ist zwar branchenspezifisch unterschiedlich, aber ebenfalls noch zu gering ausgeprägt (Quelle: Studie „Ältere im Betrieb“, Schönbauer U., 2006).


Quelle: Studie „Ältere im Betrieb“, Schönbauer, 2006

Ältere Beschäftigte könnten länger im Arbeitsleben verbleiben, wenn ihre Arbeitsaufgaben entsprechend ihren Möglichkeiten und Fähigkeiten gestaltet und altersbedingte Veränderungen ausreichend berücksichtigt würden.

Die Arbeitsanforderung soll in der Regel nicht mehr als 50% der maximalen Leistungsfähigkeit betragen, da ansonsten die Reservekapazitäten frühzeitig erschöpft sind. Das gilt insbesondere für physische Belastungen , aber auch für psychomentale Belastungen.

Gesundheitsgefährdende Arbeitsbedingungen können das Altern der Beschäftigten beschleunigen. Umgekehrt können gesundheitsfördernde Arbeitsprozesse, mit dem Ziel „den Beschäftigten den Rücken zu stärken“, alternsbedingte Abbauprozesse verzögern und die Arbeitsfähigkeit erhalten.

„Den Rücken stärken“ meint auch die Stärkung von Selbständigkeit, von (Handlungs- und Problemlöse-) Kompetenzen. Die Arbeitsbedingungen entscheiden darüber, inwieweit wir unsere Kenntnisse und Fähigkeiten sinnvoll einsetzen können.

In der täglichen betrieblichen Praxis werden Arbeitsprozesse und Arbeitsbedingungen aber leider noch so gestaltet, dass sie die Beschäftigten schnell altern lassen.

So geben 78% der Befragten im Gesundheitswesen an, dass in den letzten Jahren Stress und Zeitdruck zugenommen haben, 69% sehen eine Zunahme der körperlichen Belastungen. Insgesamt fühlen sich 57% bei der Arbeit häufig überfordert und 63% wissen nicht, wie sie bis zur Pension durchhalten sollen (Quelle: Schönbauer U.: Ältere im Betriebe, 2006).

Rechtzeitige Verbesserung an den Arbeitsplätzen hilft Jung und Alt!

Gemäß § 4 Abs.2 des ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (ASchG) ist bei der Ermittlung und Beurteilung der Gefährdungen und Festlegen von Maßnahmen auch das Alter der Beschäftigten zu berücksichtigen. Das Ziel ist, alterskritische Tätigkeiten zu identifizieren und alternsförderliche Arbeitsbedingungen zu schaffen.

Weiters haben Arbeitgeber/innen gemäß § 6 ASchG bei der Übertragung von Aufgaben die körperliche Konstitution, das Alter, das Geschlecht, die Qualifikation zu berücksichtigen.

Folgende Fragen sollten vor allem beantwortet werden:

  • Wie schaut die Altersstruktur meiner Mitarbeiter/innen in 5-10-15-20 Jahren aus?
  • Welche alterskritischen Belastungen und Beanspruchungen haben die Beschäftigten bei der Arbeit?
  • Welche physischen, psychischen und sozialen Anforderungen werden an Junge und Alte gestellt? Welche Unterschiede gibt es?
  • Wie sind die Arbeitsumgebung und die Arbeitsorganisation gestaltet und welche Vor- und Nachteile entstehen den jungen und alten Beschäftigten aus den Aufgaben, die sie zu bewältigen haben?

Denn mit zunehmendem Alter kann es zu einer

  • eingeschränkten Beweglichkeit der Gelenke und Elastizität der Sehnen und Bänder,
  • verminderten physischen funktionellen Kapazität und Kraft,
  • verminderter Knochendichte, „spröde“ Knochen,
  • Seh- (Nahsehen, Farbsehen) und Hörverminderung,
  • Hitze- und Kälte-Unverträglichkeit,
  • Häufung von Lendenwirbelsäulenbeschwerden, Erhöhtes Risiko für Fallen und Ausrutschen, langsamere Rehabilitation,
  • geringere Erholungsdefizit –Toleranz, (Problem bei Nachtschicht- und Schichtarbeit),

kommen.

Mit dem Alter steigt auch der Erholungsbedarf ‑ das ist selbstverständlich, wenn schwere körperliche Arbeit verrichtet werden muss, aber auch bei psychomentalen Belastungen.

Alterskritisch sind vor allem

  • körperlich anstrengende Arbeiten z.B. Bau, Landwirtschaft, Möbeltransport, Alten-, Kranken- und Behindertenpflege,
  • Tätigkeiten mit extremer Rumpfbeugung und Zwangshaltungen (statische Muskelarbeit), Arbeiten über Kopf,
  • Monotone und repetitive Tätigkeiten,
  • Verletzungs-, Absturzgefahr,
  • Hitze, Kälte, Nässe, Lärm, Chemikalien z.B. erhöhte Staubbelastung, schlechte Beleuchtung,
  • Arbeit unter Zeitdruck,
  • Nacht- und Schichtarbeit.

Age Management im Betriebe bedeutet

Die gute Botschaft: „Des alten Baumes Wurzeln sind immer stark“

Es gibt auch zahlreiche Fähigkeiten und Kompetenzen , die im Alter zunehmen. Diese sind:
Qualitäts-, Verantwortungsbewusstsein, Problemlösungsfähigkeit, soziale Kompetenz, selbstständiges Handeln, Erfahrungswissen, Aufgabenerfüllung, Fertigkeiten.

Auch lernen ältere Menschen mehr aus ihren Fehlern!

In diversen Studien konnte nachgewiesen werden, dass die Reaktionszeiten im Alter länger werden. Dies ist also nichts Neues. Bei einer neueren Untersuchung stießen Dortmunder Wissenschaftler jedoch auf ein interessantes Detail: Ältere sehen und denken auch nicht langsamer als Junge, aber sind (bei Wahlreaktionen) vorsichtiger bei der motorischen Ausführung. Dies ist für viele (vor allem unfallträchtige) Arbeitstätigkeiten wesentlich! Die verzögerte Reaktionszeit kann also als Strategie der Älteren interpretiert werden, weniger Fehler als die jüngeren zu machen.

(Quelle: Institut für Arbeitsphysiologie an der Universität Dortmund, Falkenstein M., et al; Projektgruppe: „ Grundlagen für die Konzeption altersdifferenzierter Arbeitssysteme" ).

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass der Erhalt der Arbeitsfähigkeit erreicht werden kann durch

  • Veränderung der Einstellung und des Verhaltens der Führungskräfte durch z.B. Führungskräfte - Schulungen ,
  • Die Förderung eines Klimas der Anerkennung und Respekt für Jung – Mittel – Alt (Wertschätzung!) ,
  • Organisation der Arbeit nach individuellen Ressourcen ,
  • Schaffung von Strukturen und „Räumen“ für eine offene Kommunikation ,
  • Erleichterung der physischen Arbeit durch technische Hilfsmittel ,
  • Ergonomische Gestaltung (z.B. Anpassung der Arbeitsplätze an den individuellen Aktionsradius z.B. des Schulter- und Hüftgelenkes, verstärkte Arbeitsplatzbeleuchtung, Reduktion von Hitze- oder Kältearbeitsplätzen) ,
  • „gesunde Mischung“ bei Teamarbeit ,
  • effiziente Erholungsmöglichkeiten durch Mikropausen in der Arbeitszeit .