„Unerfahrenheit, Coolness und Zwang“ aber auch der Einstieg ins Berufsleben ist oft schwer
Ing. Tony Griebler
Arbeitsinspektorat für den 6. Aufsichtsbezirk
post.ai6@
arbeitsinpektion.gv.at
Junge Arbeitnehmer/innen sind am Arbeitsplatz besonderen Gefährdungen ausgesetzt. Europäischen Statistiken zufolge liegt der Anteil von Arbeitsunfällen mit nicht tödlichem Ausgang bei Arbeitnehmern im Alter von 18 bis 24 Jahren um 40 % höher als bei Arbeitnehmern insgesamt. Obwohl Arbeitsunfälle sofort ins Auge springen, sind sie jedoch nur die Spitze des Eisberges. Weniger auffällig sind die Belastungen des Muskel- und Skelettapparates.
Da bei Jugendlichen unter 18 Jahren das Skelettwachstum noch nicht abgeschlossen ist, sind sie besonders anfällig für Überlastungen. Auch wenn Schädigungen nicht sofort auftreten, so wird in dieser Zeit der Grundstein für spätere Probleme gelegt.
Dabei zeigen Untersuchungen des deutschen Bundesverbandes der Betriebskrankenkassen auch bei jungen Menschen einen Anstieg der Muskel- und Skeletterkrankungen. So ergab eine Studie aus dem Jahr 2005, dass bereits 47 % der unter 30-Jährigen unter Rückenschmerzen leiden.
Ein Grund für die erhöhte Gefährdung bei Berufseinsteigern ist die mangelnde Erfahrung, möglichst „cool“ sein zu wollen, aber auch der berufliche Zwang Arbeiten zu verrichten welche andere Arbeitnehmer/innen nicht machen wollen.
Jugendliche müssten vom ersten Arbeitstag an über Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz aufgeklärt werden, damit sie sich im Arbeitsleben, aber auch in der Freizeit sicher und gesund verhalten.
Arbeitgeber/innen sind verpflichtet, neue Arbeitnehmer/innen und Jugendliche ganz besonders über Gefahren am Arbeitsplatz zu unterweisen. Persönliche Schutzausrüstungen, müssen kostenlos bereitgestellt werden und Arbeitnehmer/innen müssen diese auch verwenden. Bei Auszubildenden unter 18 Jahren sind außerdem die besonderen Bestimmungen des Kinder- und Jugendbeschäftigungsgesetzes zu beachten.
Muske-l und Skelett-Erkrankungen
Erkrankungen des Muskel-Skelett-Systems stehen in Österreich nach wie vor an erster Stelle der Arbeitsunfähigkeitsstatistik. Unter den Begriff Muskel-Skelett-Erkrankungen fallen Wirbelsäulenleiden verschiedenster Ursachen, degenerative Gelenkerkrankungen, Muskel- und Sehnenscheidenentzündungen sowie Krankheitsbilder aus dem rheumatischen Formenkreis. Für den Betroffenen bedeuten Muskel-Skelett-Erkrankungen je nach Ausprägung körperliche Schmerzen, mit oft sehr lange andauernden Beschwerden, sowie Einschränkung der Leistungsfähigkeit.
Bei Jugendlichen tritt zusätzlich das Problem auf, dass sich der Körper teilweise schnell regeneriert und Folgeschäden durch falsche Lasthandhabung oft nicht unmittelbar festgestellt werden können.
Weites Krankheitsspektrum – vielfältige Ursachen
Viele dieser Leiden gehören zu den Volks- bzw. Zivilisationskrankheiten, die sehr viele Menschen aufweisen. Durch berufliche Einflüsse wie z. B. das Heben und Tragen schwerer Lasten, häufig wiederkehrende gleichartige (repetitive) Bewegungen oder ungünstige Körperhaltungen können Muskel- und Skeletterkrankungen berufsbedingt verursacht bzw. verschlimmert werden. In der Arbeitswelt unserer Jugendlichen sollte der Grundstein zu einem „gesunden Arbeitsplatz" gelegt werden.
Bewertung von Arbeitsgestaltung und Muskel-Skelett-Belastungen
Grundsätzlich muss jeder Arbeitsplatz im Rahmen einer Arbeitsplatzevaluierung bewertet werden. Sollten Beschäftigte unter Muskel-Skelett-Erkrankungen leiden oder sich diese durch Arbeitsbelastungen verstärken, müssen Arbeitsplatz und Arbeitsvorgänge abermals bewertet und nachweislich dokumentiert werden. Generell ist nach diversen Arbeitnehmer/innenschutzvorschriften (u.a. Arbeitnehmer/innenschutzgesetz; Bildschirmverordnung; Arbeitsstättenverordnung; Unfallverhütungsvorschrift BGV A1 „Grundsätze der Prävention“; AUVA Merkblätter) eine Gefährdungsbeurteilung nach dem Stand der Technik durchzuführen, sowie nach sinnvollen Vorsorgemaßnahmen zu suchen.
Bei der Lastenhandhabung hat sich aus mehreren Möglichkeiten die „Leitmerkmal-Methode“ als sinnvolles Instrument zur Bewertung von Arbeitsplätzen mit oftmaligen Wiederholungszyklen herauskristallisiert. Auch ist es bei dieser Methode möglich auf geschlechtsspezifische, sowie allgemeine körperliche Probleme einzugehen.
Insbesondere in Betrieben des Bau, aber auch des Baunebengewerbes (Installateur, Elektriker, Zimmerer, etc.) ist es sinnvoll die Belastungen der Jugendlichen zu analysieren. Der noch nicht ausgewachsene Organismus wird oftmals großen körperlichen Strapazen ausgesetzt. Stemmen mit und ohne Stemmmaschinen, heben schwerer Lasten, schneiden mit Trennscheiben, schleppen von Bauschuttsäcken und ähnliche Tätigkeiten belasten unsere Lehrlinge schwer. Die Belastungsanalyse stellt eine Bewusstseinsbildung dar, heißt aber nicht dass Arbeiten grundsätzlich verboten werden müssen. Ersatzmaßnahmen können sein:
- Verringerung der Arbeitsdauer mit diversen Arbeitsmitteln
- Verringerung der Gewichte, z.B. Bauschuttsäcke nicht randvoll anfüllen
- Arbeiten auf mehrere Arbeitnehmer/innen aufteilen
- Geeignete Arbeitsmittel zur Verfügung stellen, z.B. Schiebetruhe und Sackrodel
- Adaptierung des Arbeitsplatzes bzw. der Arbeitskleidung
Die Analyse (Evaluierung) eines Arbeitsplatzes vernichtet diesen nicht, sondern legt Probleme offen, welche oftmals durch organisatorische intelligente Maßnahmen gelöst werden können.
Vorsorgemaßnahmen
Die wichtigste Vorsorgemaßnahme ist eine ausreichende Kräftigung des Muskel-Skelett-Systems von Kindheit an durch Bewegung und Sport sowie eine sinnvolle Freizeitgestaltung.
Arbeitsqualität ist Lebensqualität
Quelle
Rückengesundheit: Zusammenfassung der Ergebnisse einer Repräsentativbefragung des BKK Bundesverbandes; Befragungszeitraum: Mai/Juni 2005