Ergonomische Gestaltung von Büroarbeitsplätzen

Autor



DI Michael Wichtl
AUVA – HUB
hub@auva.at

Viele Studien zeigen, dass moderne Büroarbeitsplätze für Ihre Nutzer aufgrund der spezifischen Anforderungen und Belastungen, bestimmte Risiken aufweisen.

Die Folgen sind immer wieder typische Beschwerden, vor allem Schulter- und Nackenschmerzen, Rücken- und Kreuzschmerzen, Kopfschmerzen und Augenbeschwerden.

Um diese Risiken zu minimieren ist es sinnvoll und richtig, ergonomische Gestaltungsmethoden für Büroarbeitsplätze einzusetzen. Dies geschieht unter der Rahmenbedingung, dass Büroarbeitsplätze heute so gut wie immer Bildschirmarbeitsplätze sind.

Für Bildschirmarbeitsplätze gibt es aufgrund der gesetzlichen Anforderungen (ASchG §67) die Verpflichtung zur ergonomischen Gestaltung. Die folgende Darstellung zeigt die wichtigsten Grundlagen zur ergonomischen Gestaltung eines Büroarbeitsplatzes auf und gibt Hinweise, wo diesbezüglich aus den umfangreich vorhandenen Quellen weitere Informationen eingeholt werden können.

1. Geschichtliche Entwicklung

Es hat schon immer "Büroarbeit" gegeben, spätestens mit der Entwicklung des Schreibens und Rechnens. Im organisierten Sinn bekam Büroarbeit allerdings erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts ihre heutige Bedeutung, mit der Verbreitung des Prinzips der "wissenschaftlichen Betriebsführung" des Amerikaners F.W. Taylor.

Ab den 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts hielten erstmals merkbar leistungsfördernde Organisationsprinzipien und Techniken (Rechenmaschinen, elektronische Schreibmaschinen) in den Büros Einzug.

Schließlich wurde erst in den 80er Jahren die elektronische Datenverarbeitung an den individuellen Büroarbeitsplätzen im breiteren Maße einsetzbar. Die Entwicklung ging in Richtung Arbeitsplatz mit Personal Computer (PC), der Büroarbeitsplatz als Bildschirmarbeitsplatz war geboren. Heute kann man bekanntlich davon ausgehen, dass beinahe jeder Büroarbeitsplatz auch ein Bildschirmarbeitsplatz ist.

2. Belastung bei Büroarbeit

Bildschirmarbeit ist immer mit spezifischen Anforderungen und Belastungen verbunden, die mit der vorwiegend sitzenden und sehintensiven Tätigkeit sowie der Informationsver- und -bearbeitung einhergehen.

Seit Jahren zeigen deshalb Untersuchungen zu Gesundheitsbeschwerden bei Büro- und Bildschirmarbeit immer die gleichen Ergebnisse.

Typische Beschwerden wurden dabei immer wieder in folgender Reihenfolge und Auftrittshäufigkeit genannt (Mehrfachnennungen möglich): 1)

1.

Schulter- und Nackenschmerzen

49,20 %

2.

Rücken- und Kreuzschmerzen

37,30 %

3.

Kopfschmerzen

35,40 %

4.

Augenbeschwerden

29,80 %

Diese Beschwerden sind offenkundig wiederum auf typische immer wieder vorkommende Fehlbelastungen an Büroarbeitsplätzen mit Bildschirmeinsatz zurückzuführen.

Auslöser dafür sind:

  • Sitzarbeit (Zwangshaltungen, Fehlbelastungen des Muskel- und Skelettsystems)
  • Sehleistungen (hohe visuelle Anforderungen, Fixierung von Blickrichtung und Sehentfernung)
  • Informationsverarbeitung (hohe Anforderungen hinsichtlich Informationsaufnahme und –verarbeitung)

3. Ergonomische Gestaltung von Büroarbeitsplätzen

3.1 Gesetzliche Rahmenbedingungen

Seitens der zuständigen EU-Gremien wurden die Belastungs/Beanspruchungs -Zusammenhänge für Büroarbeit mit Bildschirmeinsatz relativ früh zu Beginn der 90er Jahre erkannt und von der Thematik her in der EU-Richtlinie

90/270 EWG "Richtlinie des Rates bezüglich der Sicherheit des Gesundheits-schutzes bei der Arbeit an Bildschirmgeräten"

geregelt.

In Österreich erfolgte die Umsetzung in den §§ 67, 68 ASchG (ArbeitsnehmerInnen-schutzgesetz), BGBl.Nr. 450/94 und in der BS-V (Bildschirmarbeitsverordnung). § 67 (2) ASchG besagt, dass Arbeitgeber verpflichtet sind, Bildschirmarbeitsplätze ergonomisch zu gestalten.

3.2 Ansätze bei der ergonomischen Gestaltung am Büroarbeitsplatz

Die richtige ergonomische Gestaltung von Büro- und Bildschirmarbeitsplätzen minimiert das Risiko von Fehlbelastungen und daraus resultierenden Beschwerden. Die Gestaltung soll sich sowohl auf verhältnis- als auch auf verhaltenspräventive Maßnahmen in einem ausgewogenen Verhältnis beziehen.

Dabei sind zum Beispiel

verhältnispräventive Maßnahmen:

  • ergonomische Aufstellung des Bildschirmes
  • ergonomische Gestaltung von Arbeitssessel und Arbeitstisch
  • ergonomische Gestaltung der Beleuchtung am Büroarbeitsplatz etc.

verhaltenspräventive Maßnahmen:

  • richtige Einstellung und Handhabung der Möbel- und Arbeitsmittel am Büroarbeitsplatz
  • Bewusstsein für dynamisches Arbeiten und Haltungswechsel bei der Arbeit (Sitz/Stehdynamik)
  • Aktive Teilnahme an bewegungstherapeutischen Maßnahmen (Rückenschulen etc.)

4. Wichtige Gestaltungshinweise

Hinweise für die ergonomische Gestaltung von Büro- und Bildschirmarbeitsplätzen existieren in zahlreichen Schriften, Publikationen und Internetportalen.

Eine kompakte Darstellung dazu bietet die Broschüre „Bildschirmarbeitsplätze“ (Merkblatt M 026 der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt). Diese können Sie sich aus dem Internet herunterladen: www.auva.at à Service à Publikationen à Merkblätter à M 026.

Die wichtigsten Gestaltungsregeln daraus sind:

4.1 Bildschirmaufstellung :

  • Die Blickrichtung soll parallel zu den Fensterflächen sein, wenn dies aufgrund der Raumanordnung möglich ist.
  • Es dürfen keine störenden Reflexionen am Bildschirm beispielsweise durch Fenster, Lichtkuppeln oder Leuchten entstehen.
  • Helle Fensterflächen dürfen sich keinesfalls in Blickrichtung und unmittelbarer Nähe des Bildschirmes befinden.
  • Die oberste Informationszeile soll nicht über Augenhöhe liegen; günstiger ist es, wenn der Bildschirm etwas unterhalb angeordnet ist (siehe Abb.2).
  • Der Sehabstand soll 50 bis 75 cm; als Merkregel gilt, dass der richtige Sehabstand gewährleistet ist, wenn aus einer aufrechten Sitzposition mit ausgestrecktem Arm die Hand flach auf dem Bildschirm aufgelegt werden kann.

Abb.1: Richtige Bildschirmaufstellung (aus Merkblatt M026 der AUVA)

Achtung:

Zwischen Bildschirmaufstellung, Lichteinfall und Sehbedingungen einesteils und Arbeitshaltung am Büroarbeitsplatz anderenteils existieren enge Querverbindungen! Schlechte Sehbedingungen führen unweigerlich zu schlechten Arbeitshaltungen (Zwangshaltungen, verkrampftem, statischem Sitzen etc.) und in weiterer Folge zu den erwähnten Beschwerden!

Abb.2: Richtige Anordnung von Tastatur und Flachbildschirm auf der Arbeitsfläche

(aus der Broschüre Bildschirm- und Büroarbeitsplätze BGI 650 der deutschen Verwaltungsberufsgenossenschaft)

Abb.3: Darstellung der Referenzsitzposition am Bildschirmarbeitsplatz (aus Merkblatt M026 der AUVA)

4.2 Das System Arbeitssessel und -tisch

Der Arbeitssessel muss:

  • in der Sitzhöhe verstellbar sein und mit Rollen oder Gleitern ausgerüstet sein
  • die Rückenlehne muss eine gute Abstützung in verschiedenen Arbeitshaltungen ermöglichen (dies erfordert eine verstellbare Rückenlehne in Höhe und Neigung oder wirkungsgleiche technische Maßnahmen)
  • "Dynamisches Sitzen" soll möglich sein. Unter "dynamischem Sitzen" versteht man, dass die Rückenlehne eine gute Abstützung bei Bewegungen aus der aufrechten Sitzhaltung nach vorne und vor allem nach hinten bietet.

Eine richtige Arbeitsposition kann nur durch die Abstimmung von Arbeitssessel (Sitzhöhe) und Tischhöhe erfolgen. Von den drei Bezugsebenen für Fußboden, Sitzhöhe und Tischhöhe sollten mindestens zwei variabel sein, um eine universelle Anpassbarkeit des Arbeitsplatzes zu gewährleisten.

Fix Variabel Variabel

Fußboden

Tischhöhe

Sitzhöhe

Tischhöhe

Sitzhöhe

Fußboden
(verstellbare Fußstütze)

Der Nutzer/die Nutzerin am Büroarbeitsplatz muss in der Lage sein, die richtige Einstellung am Arbeitsplatz vornehmen zu können. (Einstellung der Referenzposition, siehe Abb.3)

  • Die rechtwinkelig abgebogenen Unterarme liegen eben auf der Tischplatte auf.
  • Die Unterschenkel sind rechtwinkelig zum Oberschenkel abgebogen, die Füße stehen vollflächig am Fußboden.

Die Referenzposition ist nicht als dauernde Sitzposition gedacht, sie dient zum Einstellen der richtigen Höhenpositionen für Arbeitssessel und -Tisch. Aus dieser Position heraus ist richtiges dynamisches Sitzen möglich.

Es ist aber festzuhalten, dass die richtige Einstellung der Referenzposition nur möglich ist, wenn die oben erwähnten Grundregel (zwei variable, ein fixer Wert) für die Arbeitshöhen richtig eingehalten wird.

Aus ergonomischer Sicht ist immer eine verstellbare, oder zumindest anpassbare Tischhöhe anzustreben, so dass das beste Resultat immer mit variabler Tischhöhe erzielt wird.

Der richtige Einsatz von Fußstützen ist auf kleine NutzerInnen eingeschränkt und setzt deren Akzeptanz voraus. Diese Lösung ist damit aus ergonomischer Sicht immer problematisch.

5. Gestaltungsprozesse für Büroarbeitsplätze

Weitere Details zur ergonomischen Gestaltung, z. B. betreffend Arbeitsflächen, Beinfreiräume und Wirkräume, Licht und Beleuchtung und Software-Ergonomie entnehmen Sie bitte der Broschüre „Bildschirmarbeitsplätze“ (Merkblatt M 026 der AUVA) oder vergleichbaren Publikationen.

Abschließend soll noch einmal festgehalten werden, dass

  • die ergonomische Gestaltung des Büroarbeitsplatzes eine gesetzliche Verpflichtung darstellt.
  • am Büroarbeitsplatz die präventive Wirksamkeit richtiger ergonomischer Gestaltung (betreffend Verhältnisse und Verhalten) in Hinblick auf Minimierung der typischen Fehlbelastungen unumstritten ist.
  • zahlreiche Abhängigkeiten und Querverbindungen zwischen den einzelnen Gestaltungsfaktoren existieren, die in der Praxis viel Erfahrung, Geschick und Aufmerksamkeit bei der Arbeitsplatzgestaltung erfordern.

Nutzen Sie daher die Potentiale der ergonomischen Gestaltung von Büroarbeitsplätzen, auch im Hinblick auf Wirtschaftlichkeit und Effizienz.

  • Nehmen Sie die Hilfe von Experten auf dem Gebiet der Ergonomie und Arbeitsplatzgestaltung in Anspruch. Die Fachberater der AUVA sind Ihnen jederzeit dabei behilflich.
  • Beachten Sie, dass durch die Berücksichtigung ergonomischer Grundsätze bereits im Planungsstadium viele Folgekosten vermieden werden können, die sonst durch nachträgliche Sanierungsmaßnahmen, mangelnde Produktivität, Fehlzeiten, Maßnahmen für erforderliche Organisationskorrekturen etc. auftreten.

6. Literaturhinweise und wichtige Links zum Thema:

  • Trends der Bildschirmarbeit,
    Hrsg. Friedrich Blaha, Springer Verlag, Wien – New York, 2001
  • Der Mensch am Bildschirmarbeitsplatz,
    Hrsg. Friedrich Blaha, Springer Verlag Wien – New York, 1995
  • Büropraxis, Besser arbeiten, mehr leisten, gesund leben,
    Hrsg. T. Peters, Friedrich Kehl Verlag, 1993
  • Die Zukunft der Büroarbeit, inqua.de,
    Hrsg. Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, Dortmund, Deutschland, Wirtschaftsverlag NW, Bremerhaven, 2005
    http://tinyurl.com/ywg4tc
  • Bildschirm- und Büroarbeitsplätze BGI 650; Berufsgenossenschaftliche Informationen der deutschen Verwaltungsberufsgenossenschaft , Hamburg www.vbg.de

Links im Internet:

1) Molnar M., Schmidt H. : Belastung bei Bildschirmarbeit – aktuelle Forschungsresultate in Blaha F. (Hrsg.) : Trends der Bildschirmarbeit, Springer Verlag, Wien – New York, 2001, S 90 - 96