Ein Koffer hat keine Flügel
Die Flughafen Wien AG ist Entwickler, Errichter und Komplettbetreiber des Flughafens Wien sowie Anbieter aller damit im Zusammenhang stehenden Dienstleistungen. Im Jahre 2006 wurden ca. 16,9 Mio. Passagiere mit ca. 237.000 Flugzeugbewegungen, das sind Starts und Landungen, abgefertigt. Dabei wurden ca. 15 Millionen Gepäckstücke und 266.000 t Fracht befördert. Durchschnittlich wird für fast jeden Passagier ein Koffer befördert. Obwohl Hebehilfen und Förderbänder eingesetzt werden, ist die körperliche Belastung für die Mitarbeiter hoch. Bei der Ermittlung und Beurteilung von Gefahren wird daher auch besonderes Augenmerk auf die manuelle Lastenhandhabung gelegt. Durch verschiedene Maßnahmen der Arbeitsorganisation, durch Schulungen und Seminare zu richtigem Heben und Tragen oder zur Rückengesundheit und durch die Verwendung von geeigneter persönlicher Schutzausrüstung können die Belastungen und die Unfallgefahr verringert werden.
Die kontinentalen und interkontinentalen, privaten und beruflichen Reiseaktivitäten steigen ständig an. Ebenso steigen die Frachtaufkommen, Expresspaketdienste und die Luftpost. Der Flughafen Wien gilt aufgrund seiner geographischen Lage im Zentrum Europas, der kurzen Umsteigzeiten und der großen Anzahl an direkten Flugverbindungen in östliche Länder (45 Osteuropadestinationen) als Drehscheibe zwischen Ost und West.
Anhand des Weges eines Koffers vom Check-In bis in den Laderaum eines Flugzeuges sowie der Tätigkeiten die zeitgleich nebenher stattfinden, werden die praktischen Situationen der Lastenhandhabung am Flughafen Wien erläutert.
Der Weg eines Koffers
Nach dem Wiegen des Koffers und der Zuordnung zum Zielflughafen bekommt er seinen Anhänger mit Strichcode. Überschwere Gepäckstücke werden, je nach Airline, ab ca.23 kg mit speziellen Anhängern gekennzeichnet. Die nachfolgenden Mitarbeiter sind sodann vorgewarnt. Dies ist bereits die erste Präventivmaßnahme.
Über Förderbänder werden die Koffer in die Gepäckzentrale transportiert und in dieser von der automatischen Sortieranlage den Zielboxen zugeordnet. Mitarbeiter der Gepäckzentrale verladen diese Gepäckstücke, je nach Flugzeugtype in Gepäckcontainer oder als Stückgut, hauptsächlich bei kleinen bis mittelgroßen Flugzeugtypen, auf Gepäckwagen.
Zeitgleich mit der Gepäckverladung wird auch die Luftfracht und Post umgeschlagen. Jährlich sind dies ca. 266.000 t. Zur Unterstützung gibt es derzeit 24 Elektrostapler im Hallenbereich sowie 12 Dieselstapler im Freien, höhenverstellbare Verladerampen und Palettenbauplätze. Die Frachtstücke werden, wenn erforderlich, umgeschlichtet, umhüllt sowie vernetzt und in den erforderlichen Gebinden bzw. den passgenauen Paletten zu den Flugzeugen geliefert und ebenfalls maschinell oder wo erforderlich manuell in den Laderäumen verstaut.
Im Passagierraum werden währenddessen auf Rollcontainern die Leergebinde der Bordküchen ausgeladen. Anschließend werden das neue Catering (Speisen und Getränke) sowie Zeitungen und Illustrierte mittels Rollcontainern eingeladen und in den Stauräumen der Bordküchen verstaut.
Der Innenraum - die Kabine - wird gereinigt, gebrauchte Decken, Polster, Zeitungen und Müll werden entfernt. Es sind z.B. jährlich 1.500 t Restmüll und 1.100 t Altpapier zu entsorgen.
Zur selben Zeit sind auch in anderen Betriebsbereichen, entsprechend des jeweiligen Aufgabengebietes, Personen beschäftigt um Lasten zu heben, umzusetzen oder zu transportieren. Beispielhaft seien angeführt: Notfallambulanz, Feuerwehr, Haustechnikbetriebe (HKLS), Kommunaldienste, Geländeinstandhaltung und Winterdienst.
Da die Abfertigungsgeräte meist Spezialfahrzeuge mit Sondermaßen sind, werden diese in den hauseigenen Fahrzeug- und Gerätewerkstätten gewartet und repariert. Verschiedenste Hebe- und Transporthilfen erleichtern auch in diesem Bereich den Mitarbeitern die Arbeiten. Eventuelle Störungen werden meist direkt vor Ort behoben. Dafür fährt ein mobiler Werkstättenwagen, ausgerüstet mit den notwendigen Hebe- und Transporthilfen, aus.
Zurück zu der Arbeit auf den Abstellpositionen bei den Flugzeugen.
Gepäckcontainer werden mit entsprechenden Transportanhängern zu den Flugzeugabstellpositionen gebracht und dort mittels Hubbühnen und somit maschinell unterstützt, in die Laderäume der Flugzeuge verladen.
Stückgut wird mittels Gepäckwagen zu den Flugzeugabstellpositionen transportiert und muss dort manuell von einem Mitarbeiter (Lader) vom Gepäckwagen auf ein Kofferförderband umgesetzt werden. Ein weiterer Kollege übernimmt im Laderaum vom Förderband die Koffer und schlichtet diese. Bei Kleinflugzeugen entfällt das Förderband, es wird direkt vom Gepäckwagen in den Laderaum des Flugzeuges geladen. Das Ladegut wird mit einem Netz gesichert, die Ladeklappe verschlossen.
Das Flugzeug ist für die nächsten Passagiere und den Abflug bereit.
Maßnahmen
Auf Basis der Ermittlung und Beurteilung der Gefahren wurden die erforderlichen arbeitsplatzspezifischen Maßnahmen festgelegt. Beispielhaft für den Arbeitsplatz Be- und Entladung sind diese:
- Erläuterung der Tätigkeit im Aufnahmegespräch, Hinweis auf erforderliche körperliche Konstitution.
- Arbeitsmedizin ische Betreuung: Vorsorgeuntersuchung, Impfungen, Herzcheck, Erste Hilfe Kurs, Psychosoziale Beratung, Ergonomische Beratung, Arbeitsplatzgestaltung, Riskenanalyse, Arbeitsplatzevaluierung, Audiometrie, Ernährungsberatung, Raucherentwöhnung
- Obligate Schulung der neuen Mitarbeiter durch Arbeitssicherheit, unter anderem mit den Themen „Heben und Tragen“ sowie „Lager- und Transportarbeiten“.
- Einsatz technischer Hilfsmittel – Hebe- und Transporthilfen – wie Kofferförderbänder, Gabelstapler, Hubtische etc. wo immer möglich.
- Kennzeichnung „Heavy Baggage“ mittels farblich deutlich erkennbarem (z.B. orange) Kofferanhänger durch Check-In-Personal der Airlines bei überschweren Gepäckstücken, zwecks Vorwarnung des Mitarbeiters „Achtung, auf besonderes Gewicht einstellen“.
- Wo der Einsatz technischer Hilfsmittel nicht möglich ist, Beihilfe durch Kollegen bei überschweren Gepäck- oder Frachtstücken.
- Job Rotation in der Arbeitsgruppe zwischen den Tätigkeiten
- Be- und Entladen im Laderaum,
- Umladen von Gepäckwagen auf Förderband und umgekehrt ,
- Bedienung der Abfertigungsgeräte,
- Bedienung der Transportgeräte.
- Wechsel der abzufertigenden Flugzeugtypen, Stückgutbeladung und Containerbeladung, da bei Containerbeladung maschinelle Unterstützung gegeben ist.
Verwendung von griffigen Arbeitshandschuhen zu Verringerung der Haltearbeit und Verwendung von Knieschonern bei knieenden Verladearbeiten im Laderaum von Flugzeugen.
- Seminar „Gesunder Rücken“ abgehalten von Physiotherapeuten. Verwendung des beim Seminar erhaltenen Rückenstützgurtes entsprechend der geschulten Anwendung.